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KI, Sprache und Gesundheitswesen –
ihre Berührungspunkte und ihre Rolle in der Pandemie
Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig
Der Einfluss künstlicher Intelligenz (KI) auf unsere Welt nimmt rapide zu. Wir nutzen KI fortwährend im Alltag, oftmals unbewusst. Wir entsperren unsere Smartphones mit Gesichtserkennung, betreiben Onlinebanking und sprechen mit einem Bot über unsere Konsumgewohnheiten, wir lesen unsere durch KI personalisierten sozialen Feeds und fragen unsere KI-gesteuerten Home Assistants nach dem aktuellen Wetterbericht. Viele dieser Aufgaben beinhalten die Verarbeitung menschlicher Sprache und künstliche Intelligenz wird fortlaufend besser darin, unsere Art der Kommunikation zu verstehen.
KI und Sprache
Sprache ist das Herzstück von KI-Technologien. Natural language processing (Verarbeitung natürlicher Sprache, NLP) ist ein Gebiet der künstlichen Intelligenz, das sich damit befasst, Computern die Fähigkeit zum Verstehen, Interpretieren und Reproduzieren von gesprochener und schriftlicher menschlicher Kommunikation zu verleihen. In den letzten Jahren hat dieses Gebiet erhöhte Aufmerksamkeit und erhebliche Investitionen erfahren, weil die Entwicklung von Mensch-Maschine-Interaktionen eine schier endlose Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten zulässt.
Fortschritte im Bereich NLP wurden durch die Verfügbarkeit großer Datenmengen, leistungsstärkere Computer und ausgereiftere Algorithmen ermöglicht, die es NLP gemeinsam ermöglichen, menschliche Sprache zu interpretieren und zu produzieren. Simpel, oder? Nicht ganz. Eigentlich ist es sogar ziemlich kompliziert, doch vor dem Hintergrund bisheriger Erfolge werden Schwierigkeiten gern übersehen. Sprachen weisen nuancierte und unlogische Elemente auf, die für eine KI schwer zu begreifen sind: Grammatik, Ironie, Humor, Homophone, Metaphern und vieles mehr lassen die Arbeit im Bereich NLP zu einer echten Herausforderung werden. Wenn Ihre Alexa schon einmal eine Frage nicht verstanden oder Ihr GPS einen Straßennamen völlig falsch buchstabiert hat, sind Sie mit diesen Schwächen bereits in Berührung gekommen. Als Menschen vergessen wir, wie extrem komplex unsere Sprache ist – wir verwenden sie, ohne weiter darüber nachzudenken.
Doch NLP überwindet diese Hindernisse Schritt für Schritt. Unsere unwissentliche Verwendung von KI im Alltag ist nur der Anfang. In den kommenden Jahren werden wir große Sprünge im Bereich der lebensverbessernden KI beobachten, und NLP wird eine treibende Kraft dahinter sein.
KI, Gesundheitswesen und Coronavirus
KI-Technologien sorgen kontinuierlich dafür, dass unser Leben leichter und technologisierter wird. Daher spielen sie selbstverständlich auch eine immer wichtigere Rolle im Gesundheitswesen. Eine ohnehin dynamische, innovative und investitionsintensive Branche wird durch die Corona-Krise in die Zukunft katapultiert, und wie wir es erst kürzlich in unserem Blogbeitrag beschrieben haben, treibt die Pandemie die Digitalisierung in der Medizin voran. Da Sprechstunden in ein virtuelles Umfeld verlagert werden und Gesundheitsdienstleister damit zu kämpfen haben, eine überwältigende Anzahl von Menschen auf eine sicherere und effizientere Art und Weise zu erreichen, ist die Einführung von beispielsweise Telemedizin, Gesundheits-Apps und Robotik weit verbreitet.
KI steht im Mittelpunkt der Bemühungen, die Pandemie in den Griff zu bekommen, und Beispiele dafür sind leicht zu finden. KI-Analytik hat eine schnellere Korrelation von Patientendaten mit zugrundeliegenden Gesundheitsproblemen jenseits von Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit ermöglicht, die frühzeitig erkannt wurden. Dank der großen Stärke von KI, riesige Datenmengen zügig zu analysieren, haben Ärzte nun eine ausführlichere Liste an Erkrankungen, die das Risiko für Covid-19 erhöhen, und können effektivere Behandlungen anbieten. AI-gesteuerte Algorithmen wurden außerdem genutzt, um vorauszusagen, wo und wann das Virus sich ausbreiten wird. In den USA hilft maschinelles Lernen sogar dabei, herauszufinden, wer am gefährdetsten ist und vorrangig geimpft werden sollte.
KI, Sprache und Gesundheitstechnologie im Einklang
Das sind nur ein paar der pandemiebedingten Anwendungsfälle für KI im Gesundheitswesen und ihre Zahl wird zweifelsohne weiter wachsen. Doch wo genau kommt Sprache ins Spiel und welchen Beitrag hat NLP geleistet? Warum sind Sprache und vor allem Mehrsprachigkeit in einem medizinischen Umfeld so wichtig?
In unserem Blogbeitrag „Sprachlich an vorderster Front“ haben wir uns angesehen, warum mehrsprachige Kommunikation während der Pandemie eine kritische Rolle bei der Verbreitung korrekter Informationen zu Sicherheit und Prävention gespielt hat. Die Krise hat unterstrichen, wie wichtig es ist, die richtige Botschaft in der richtigen Sprache an diejenigen zu kommunizieren, die am verletzbarsten sind, und Mehrsprachigkeit war dabei lebensrettend. Wenn Regierungen und Gesundheitsdienstleister sich mehrsprachigen KI-Lösungen zuwenden, ist es enorm wichtig, dass diese Lösungen so gekonnt mit Sprachen umgehen können, dass Missverständnisse und Fehlinformationen vermieden werden. Es gab viele Beispiele für die Einführung von mehrsprachiger KI als Folge der Corona-Krise.
Das deutsche Bundesministerium für Gesundheit hat mit einem führenden Sprachtechnologieunternehmen zusammengearbeitet, um „die mehrsprachige Kommunikation in und aus der deutschen Sprache in Krankenhäusern und Notaufnahmen in ganz Deutschland zu erleichtern“. Diese Technologie zur automatischen Spracherkennung und Verarbeitung natürlicher Sprache wird in eine Telekommunikationsplattform integriert, die bereits von Sprachmittlern genutzt wird, und wird dazu beitragen, dringende Gespräche zwischen medizinischem Personal und nicht deutschsprachigen Patienten zu ermöglichen. Da es Berichten zufolge nicht genügend qualifizierte Dolmetscher gibt, besteht die Notwendigkeit, in Echtzeit über Sprachbarrieren hinweg zu kommunizieren und sicherzustellen, dass Patienten die notwendigen und manchmal dringenden Behandlungen erhalten.
In Großbritannien hat der Kettering General Hospital Foundation Trust damit begonnen, Live-KI-Übersetzungstechnologie als Teil seiner Plattform für Videosprechstunden einzusetzen, um die Zugänglichkeit für Patienten mit geringeren Englischkenntnissen zu verbessern und die Anzahl der Patienten-Arzt-Gespräche, die virtuell abgehalten werden, zu erhöhen. Die Live-(Maschinen-)Übersetzung kann in über 100 Sprachen und je nach Präferenz des Patienten entweder in einem Text- oder Audioformat bereitgestellt werden. Das Unternehmen, das den Service bereitstellt – ein auf Kommunikation im Gesundheitswesen spezialisierter Anbieter – behauptet auf seiner Website, dass der Krankenhaus-Trust Tausende von Pfund für herkömmliche Telefon- und Präsenzdolmetscher einsparen wird, und ist der Meinung, dass der Nationale Gesundheitsdienst Einsparungen in Millionenhöhe erzielen könnte, wenn er das System landesweit einführen würde.
Auch mehrsprachige KI-Chatbots waren ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Kommunikationsschwierigkeiten, die durch die Pandemie aufgeworfen wurden, und kamen weltweit zum Einsatz. Eines der bekanntesten Beispiele ist der „HealthBuddy“-Nachrichten-Bot, der von der Weltgesundheitsorganisation in Europa und Zentralasien eingesetzt wird und dazu dient, einfache und präzise Nachrichten über Covid-19 zu übermitteln. Sein Hauptziel ist es, der breiten Öffentlichkeit zu helfen, die „Infodemie“ in den sozialen Medien und im Internet zu durchschauen. Er ist per Dropdown-Menü in über 15 Sprachen verfügbar.
Können Menschen im medizinischen Umfeld von KI-Sprachtechnologie ersetzt werden?
Auch wenn sich die Einsätze von mehrsprachiger KI im letzten Jahr als wirksam erwiesen, ist Vorsicht geboten. Bei der Überprüfung von Symptomen könne Chatbots uneinheitliche Auskünfte geben und sind in hohem Maße darauf angewiesen, dass die von ihnen genutzten Informationen regelmäßig aktualisiert werden. Wie wir wissen, ist eine KI nur so gut wie die Daten, mit denen sie trainiert wurde. Die Bereitstellung von objektiven und korrekten Daten ist eine anhaltende Thematik. Mehrsprachige Kommunikation wirklich „mehr“-sprachig zu gestalten ist ebenfalls eine Herausforderung, da NLP-Modelle historisch gesehen von Englisch und Mandarin-Chinesisch dominiert wurden. Obwohl sich das mittlerweile ändert, führt die Dominanz einer Handvoll Sprachen auch dazu, dass weniger verbreitete Sprachen unterrepräsentiert und ihre Sprecher somit im Nachteil sind, wenn sie medizinische Hilfe beanspruchen wollen. Mehrsprachigkeit auf dem Gebiet der KI bedeutet gerechtere, inklusivere Prozesse.
Vor allem aber ist KI nicht in der Lage, die Instinkte eines Menschen sowie, im Fall der Gesundheitsversorgung, die gesammelte Erfahrung und Ausbildung einer medizinischen Fachkraft zu reproduzieren. Chatbots können zwar ein besseres Pflegemanagement bieten und das Engagement der Patienten unterstützen, aber es ist auch möglich, dass sie Antworten falsch interpretieren, was zu Fehldiagnosen führen und eine korrekte Beratung oder Behandlung verhindern kann. KI ist (noch) nicht dazu fähig, jemandem in die Augen zu sehen und ein Gefühl dafür zu bekommen, ob die Person die erhaltenen Informationen versteht oder nicht, oder ob ihre Antworten durch ihre Ängste oder Gesundheitsprobleme beeinflusst sein könnten. Die von einem israelischen Healthtech-Unternehmen durchgeführten Tests zeigen, dass die Art der Fragestellung dramatische Auswirkungen auf die Antwort eines Patienten haben kann. Noch ist KI nicht in der Lage, eine Frage umzuformulieren, damit die Person sie besser versteht und beantworten kann.
Auch sollten die Fähigkeiten eines menschlichen Dolmetschers nicht unterschätzt werden. Diese hoch qualifizierten Experten haben viel mehr zu bieten als die simple Übertragung zwischen zwei Sprachen. Sie verfügen über eine spezialisierte Ausbildung und sind in hohem Maße mit medizinischen Termini vertraut. Sie kennen kulturelle Feinheiten und können nonverbale Hinweise erfassen, die Anlass zu einem beruhigenden Wort oder einer zusätzlichen Frage geben können. Sie helfen Menschen durch traumatische und beängstigende Erfahrungen hindurch. Das können Chatbots nicht.
Letztendlich muss sorgfältig festgelegt werden, wie und wann KI-Sprachtechnologie im Gesundheitswesen zur Anwendung kommt. Trotz der bisher riesigen Fortschritte auf diesem Gebiet hat die künstliche Intelligenz noch einen langen Weg vor sich, bevor sie die subtilen Zwischentöne menschlicher Kommunikation begreifen kann, und sie wird nie ein Ersatz für menschliche Nähe sein.
