Die Macht der Muttersprache nutzen

Unsere Muttersprache ist kostbar. Neurowissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass wir weniger Gehirnleistung benötigen, wenn wir unsere Muttersprache verwenden, als wenn wir Sprachen benutzen, die wir erst später im Leben erlernt haben.
Mother Language Day

Warum es entscheidend ist, Zugang zu Bildung in einer Sprache zu haben, die man versteht.

Eine große Kluft

Die meisten von uns haben das Glück, mit der Schule zu beginnen und in einer Sprache unterrichtet zu werden, die wir bereits zu Hause erlernt haben. Meist ist die Sorge, ob wir uns mit unseren Mitschülern und neuen Lehrern verständigen können, am ersten Schultag nicht unsere größte Angst. Zur Schule zu gehen und in einer Sprache zu lernen, die wir kennen, ist für uns eine Selbstverständlichkeit.

Leider trifft das für viele Millionen Kinder auf der ganzen Welt nicht zu.

Laut der UNESCO haben über 40 % der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Bildung in einer Sprache, die sie kennen oder sprechen. Das ist eine erstaunliche Zahl, die jetzt weltweit Anlass zur Sorge gibt.

Warum wird die Muttersprache in der Schule so oft ignoriert?

Die Gründe für diese erschreckende Statistik sind vielfältig. In einigen Ländern bevorzugt die Regierung die Verwendung bestimmter offizieller Landessprachen in den Schulen, weil sie glauben, dass der Erwerb dieser Sprachen den Schülern den Weg zum Erfolg in einer Welt ebnet, in der Englisch und eine Handvoll anderer Sprachen dominieren. In Kenia zum Beispiel werden die Schüler nur in Swahili und Englisch unterrichtet, obwohl es in dem Land 66 weitere lokale Sprachen gibt.

Indigene Sprachen werden im staatlichen Bildungswesen oft ignoriert. Obwohl sich diese Einstellung allmählich ändert, galten die Sprachen der indigenen Völker in der Vergangenheit als wenig prestigeträchtig und wenig nützlich. Der bevorzugte Schwerpunkt liegt auf kultureller Homogenität, was bedeutet, dass die indigenen Sprachen auf der Strecke bleiben.

Migration und Vertreibung führen dazu, dass viele Kinder mit ihren Familien mit einer anderen Sprache aufwachsen als der, die im allgemeinen Bildungssystem an ihrem Wohnort gesprochen wird. In den USA beträgt der Prozentsatz der Bevölkerung, die zu Hause Spanisch spricht, 13,3 %. Der Anteil der Menschen hispanischer Herkunft an der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2060 wird auf 27,5 % geschätzt. Obwohl es in den USA immer mehr zweisprachige Bildungsprogramme gibt, ist Englisch seit jeher die Unterrichtssprache.

Der Beweis liegt in der Forschung

Unsere Muttersprache ist kostbar. Neurowissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass wir weniger Gehirnleistung benötigen, wenn wir unsere Muttersprache verwenden, als wenn wir Sprachen benutzen, die wir erst später im Leben erlernt haben. Es drängt sich also der Schluss auf, dass wir, wenn uns unsere Muttersprache leichter fällt, diese zusätzliche geistige Energie nutzen können, um uns auf das Lernen anderer Dinge in anderen Bereichen zu konzentrieren.

Studien haben immer wieder gezeigt, dass sich der Unterricht in Nicht-Muttersprachen negativ auf das Lernen von Kindern auswirkt, insbesondere in der Grundschulzeit. Die kognitiven Fähigkeiten im Rechnen und Problemlösen werden besser gefördert, wenn sie in der Muttersprache des Kindes unterrichtet werden, und die Schreibfähigkeit leidet, wenn der Unterricht nicht in der Muttersprache des Kindes stattfindet.

Über das Klassenzimmer hinaus

Ein Mangel an muttersprachlichem Unterricht behindert nicht nur den Lernfortschritt. Auch die sekundären Auswirkungen können schädlich sein und tragen bekanntermaßen zum Fortbestehen von Armut bei, insbesondere in stärker isolierten Communitys. Die Analphabetenrate ist bei Sprechern von indigenen und Minderheitensprachen oft höher, wenn nur wenig muttersprachlicher Unterricht angeboten wird, und der Zugang zu höherer Bildung und besseren Berufsaussichten ist daher eingeschränkter.

Auch das emotionale Wohlbefinden kann Schaden nehmen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Klassenzimmer und verstehen nichts von dem, was gesprochen wird. Gefühle von Frustration und Unzulänglichkeit wären die natürliche Folge, und Ihr Selbstvertrauen würde erschüttert. Dies sind Probleme, die Auswirkungen auf das ganze Leben eines Menschen haben können.

Die Vorteile des muttersprachlichen Unterrichts

Wenn Kinder in den ersten Jahren ihrer Ausbildung in ihrer Muttersprache unterrichtet werden, lernen sie schneller, und Untersuchungen zeigen, dass sie ihre Schulzeit mit größerer Wahrscheinlichkeit erfolgreich beenden. Der Erwerb der Grundkenntnisse in ihrer eigenen Sprache bietet ihnen eine solide Grundlage für das spätere Erlernen einer zweiten Sprache und den Zugang zu den Vorteilen, die diese zweite Sprache bieten kann.

Wenn die Sprache des Elternhauses und die Unterrichtssprache identisch sind, können die Eltern eine aktivere Rolle bei der Erziehung ihres Kindes übernehmen und es bei den Hausaufgaben und beim Lesen unterstützen. Die Verwendung der Muttersprache außerhalb des Hauses stärkt auch den Stolz auf die Kultur, die durch das Leben zu Hause repräsentiert wird, und stärkt wiederum die kulturelle Identität und das Selbstwertgefühl einer Person.

Alle Sprachen sind wichtig

Mehrsprachiger Unterricht wird heute als der beste Weg angesehen, um das Lernen von Kindern zu fördern und gleichzeitig den Wert ihrer Muttersprache zu bewahren. Zwei- oder mehrsprachiger Unterricht in der Grundschulzeit verbessert die schulischen Leistungen der Schüler nachweislich und wird durch die Kampagnen der UNESCO aktiv gefördert.

Sprachen zu sprechen ist eine Superkraft, die nur wir Menschen besitzen. Diese kostbare Fähigkeit nicht zu pflegen und zu unterstützen, ist ein Fehler. Nur wenn wir sicherstellen, dass alle Menschen auf der Welt Dienstleistungen in ihrer Muttersprache nutzen und in Anspruch nehmen können, können wir die erstaunliche Ressource, die unsere sprachliche Vielfalt darstellt, in vollem Umfang erhalten und pflegen.

***

Lesen Sie unseren Blog über muttersprachliche Kompetenz und erfahren Sie, warum die Übersetzungsbranche der Arbeit in der Muttersprache einen so hohen professionellen Stellenwert beimisst.

Ihr(e) persönliche(r) Ansprechpartner:in

Nadine Kubinka

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Bleiben Sie mit unseren Newsletters auf dem aktuellen Stand zu unseren Veranstaltungen und Projekten.