Wie dicht ist die Maschinenübersetzung der Humanübersetzung auf den Fersen?

Übersetzer und Dolmetscher gab es schon immer – von der Frühzeit bis heute, weil Menschen unterschiedlicher Sprachen von jeher miteinander kommunizieren mussten. Die damals einzige Berufsausrüstung zum Übersetzen eines Textes bestand aus dem menschlichen Wissen und der Fähigkeit, neben der Muttersprache neue Sprachen zu erlernen und sie dann „von Hand“ oder mündlich zu vermitteln.
Human Translation vs Machine Translation

Gedanken zum Tag der Muttersprache

Heute, am 21. Februar 2022 jährt sich der Internationale Tag der Muttersprache zum 22. Mal. Vor dem Hintergrund, dass gut die Hälfte aller weltweit gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht ist, erinnert die UNESCO seit 2000 mit diesem jährlichen Gedenktag an die Bedeutung des Kulturgutes Sprache. Er soll die Sprachenvielfalt und den Gebrauch der Muttersprache fördern sowie das Bewusstsein für sprachliche und kulturelle Traditionen stärken und steht 2022 unter dem Motto: „Einsatz von Technologie für mehrsprachiges Lernen: Herausforderungen und Chancen“.

Noch vor wenigen Jahren hätte eine Frage wie diese, die auf dem Gebiet der Sprache Mensch und Maschine vergleicht, lächerlich geklungen, denn die maschinelle Übersetzung (MÜ oder engl. MT) hat zwar schon einen langen Weg hinter sich, kam aber nie an die von Menschen produzierte Qualität heran – ganz im Gegenteil: die „unmenschlichsten“ Fehler, Sätze und Wortschöpfungen finden sich als beliebte Running Gags auf allen Social-Media-Plattformen. Erst ab 2017 durch die Entwicklung der Neural Machine Translation NMT der Durchbruch kam. Wie wir später in diesem Beitrag näher betrachten, arbeitet NMT anders als die bisherige statistikbasierte oder regelbasierte MT auf der Basis von künstlicher Intelligenz, Big Data und Deep Learning und hat so rasante Fortschritte gemacht, dass man die Frage mit „Ja, sehr dicht“ beantworten kann. Doch man muss schon genauer hinschauen, um die Vor- und Nachteile sowie die Einsatzmöglichkeiten von Mensch oder Maschine zu kennen.

Erfüllt sich ein uralter Menschheitstraum?

Übersetzer und Dolmetscher gab es schon immer – von der Frühzeit bis heute, weil Menschen unterschiedlicher Sprachen von jeher miteinander kommunizieren mussten. Die damals einzige Berufsausrüstung zum Übersetzen eines Textes bestand aus dem menschlichen Wissen und der Fähigkeit, neben der Muttersprache neue Sprachen zu erlernen und sie dann „von Hand“ oder mündlich zu vermitteln. Dazu musste der Mensch zuerst den Text zur Kenntnis nehmen und verstehen, sich dann von den verwendeten Wörtern lösen und nur den Sinn und die Essenz des Textes bewahren, um diesen dann in der Zielsprache neu zu formulieren.

Ein mühsamer Prozess – und solange es die Menschheit gibt, träumt sie von Mehrsprachigkeit und der Übersetzung per Knopfdruck.

Ab dem 20. Jahrhundert konnten Übersetzer bei ihrer Arbeit auf Computertools zurückgreifen. Der erste Schritt war hier die Computer Assisted Translation (oder CAT). Mit diesen im Übersetzungsjargon CAT-Tools genannten Programmen können vor allem Texte automatisch segmentiert oder übersetzte Textsegmente für die Wiederverwendung bei anderen Aufgaben gespeichert werden. Das war die Geburtsstunde des Translation Memory.

Heute, im 21. Jahrhundert, spielt die künstliche Intelligenz eine immer größere Rolle und Maschinen lernen eine Vielzahl an Sprachen und fertigen Übersetzungen an. Doch wie funktioniert NMT, wo liegen die Vor- und Nachteile der maschinellen im Vergleich zur menschlichen Übersetzung und was bedeutet das für die Zukunft der Lokalisierungs- und Übersetzungsbranche?

NMT, die Neural Machine Translation

Die Technologie basiert auf Netzen aus künstlichen Neuronen, die mit der neuronalen Vernetzung innerhalb des menschlichen Gehirns vergleichbar sind. Es ist die fortschrittlichste Methode computergenerierter Übersetzungen und hat dank selbstständigen Lernens auf der Grundlage von künstlicher Intelligenz (KI)Big Data und Deep Learning in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Heutzutage können neuronale Programme maschineller Übersetzung als Basis für professionelle Übersetzungen eingesetzt werden.

Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Art, wie Segmente von der Ausgangs- in die Zielsprache übertragen werden, sondern bringt dank künstlicher Intelligenz noch eine ganz neue Dimension ins Spiel. NMT-Systeme besitzen zusätzlich die Fähigkeit zu lernen. Das heißt, die Maschine ist, ebenso wie das menschliche Gehirn, nicht nur in der Lage, eine Übersetzung anzufertigen, sondern auch eine Sprache zu erlernen und somit die Qualität der übersetzten Elemente ständig zu verbessern.

Zudem kann der Mensch sie so trainieren, dass sie die spezifischen Bedürfnisse einzelner Sektoren wie etwa dem Jura-, Finanz- oder Medizinbereich, die alle ein eigenes Fachvokabular verwenden, erfüllt.

Menschliche oder maschinelle Übersetzung?

Die Maschinenübersetzung und die Humanübersetzung unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht: beim Preis, in der Qualität, in der Funktionsweise. Beide bieten Vor- und Nachteile, aber gleich vorweg: Ohne den menschlichen Eingriff, kann keine maschinelle Übersetzung hohen Ansprüchen genügen. Andererseits verzeichnet der weltweite Übersetzungsmarkt einen so rapide ansteigenden Bedarf an Übersetzungen, dass diese durch Menschen alleine nicht mehr zu bewältigen sind. Bei Kosten und Schnelligkeit hat die maschinelle Übersetzung klare Vorteile, eignet sich gut für eine Inhaltsübersetzung kurzlebiger Texte wie E-Mails oder Webseiten, aber nicht für Texte, bei denen das Augenmerk auf Stil oder regionale Besonderheiten liegt. Sie sollten generell nur als grobe Vorübersetzung dienen, die ein muttersprachlicher Profi im Post-Editing bereinigt.

Die menschliche Übersetzung bietet den unschlagbaren Vorteil, dass sie von einem Profi, der die Ausgangssprache einwandfrei beherrscht, in die Muttersprache übertagen wurde. Dieser besitzt Kompetenzen, die ein Computer nicht aufbringen kann (Kreativität, Sprachgefühl, Interpretationsfähigkeit), und ist in der Lage, sowohl den Kontext der Übersetzung als auch kulturelle Feinheiten zu berücksichtigen, um den Text an die Besonderheiten des Ziellandes anzupassen.

Wie sieht es in der Zukunft aus?

Obwohl die Technologie noch in der Entwicklung steckt, und sich die Machine Translation gerade bestimmte Nischen erschließt, kann man schon festhalten, dass es noch viele linguistische Codes gibt, die diese Maschinen knacken müssen. Künstliche Intelligenz kämpft weiterhin mit der enormen Komplexität menschlicher Sprache und so wird es dabei bleiben, dass die Maschine zwar für bestimmte und umfangreiche Texte immer besser genutzt werden kann, aber den Fähigkeiten und der Qualität menschlicher Übersetzer noch lange nicht das Wasser reichen können.

Maschinelle Übersetzungen werden die Übersetzungsbranche weiter verändern, und auch wir setzen diese Technik ein, jedoch immer in Kombination mit unseren muttersprachlichen Profis und mithilfe unserer serverbasierten Übersetzungsumgebung, bewährten Translation-Memory-Technologien und Termbanken. Denn wir verlassen uns auch in Zukunft auf Menschen mit Leidenschaft für die Sprache!

Ihr(e) persönliche(r) Ansprechpartner:in

Laurence Roguet

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